Die originelle schweizerische Schauspielerin Laura Gambarini unternimmt das Wagnis, in nicht mehr als 45 Minuten die Nibelungensage nachzuerzählen. Glücklicherweise muss dafür niemand erst einen Mittelhochdeutsch-Kurs belegen, auch wenn hier eine Schulstunde stattzufinden scheint. Wie eine Lehrerin steht die Künstlerin an der Tafel im Klassenzimmer, schreibt und zeichnet und untermalt ihre durchaus wortreiche Vorstellung des Plots mit unbändiger Gestikuliererei. Dazu nimmt sie sich alles, was sich an Gerätschaften in ihrer Reichweite befindet, zu Hilfe, um die Geschichte noch plastischer zu machen. Gedacht ist das Ganze durchaus auch für ein Publikum, das der deutschen Sprache nicht mächtig ist.
Die wilde Sage von (Liebes-)Abenteuern und Missgeschicken eifersüchtiger Könige, von kriegerischen Königinnen und tapferen Drachentötern kommt in Form eines fantasiegeladenen furiosen Objekttheaters daher, das seinesgleichen sucht. Mit ein bisschen Schulkreide, einem Tafelschwamm und großem Zirkel steigt die Künstlerin in die blutrünstigen Intrigen um Macht und Verrat ein.
Das Heldenepos der Nibelungen geht auf Sagen aus dem skandinavischen Raum zurück. Bekannt ist heute vor allem das schriftlich festgehaltene Nibelungenlied aus dem 13. Jahrhundert. Es diente als Inspiration für zahlreiche Werke, etwa den vierteiligen Opernzyklus Ring des Nibelungen von Richard Wagner, aber auch Romane, Filme und Serien, die in der Popkultur bekannt sind, wie etwa Tolkiens Herr der Ringe, Rowlings Harry Potter oder die Fantasyserie Game of Thrones.
Laura Gambarini studierte Literaturwissenschaft an der Universität Lausanne und schloss eine Ausbildung am Berliner Zentrum für Mime und Pantomime an. Ihre Mission: Die Demokratisierung der aktuellen Bühnenkunst. Als 2020 alle ihre Vorstellungen wegen Corona abgesagt oder verschoben wurden, arbeitete sie als Deutschlehrerin an einem Schweizer Gymnasium. Auf dem Lehrplan stand auch das Nibelungenlied. So entstand ihre Idee einer Literaturvermittlung, die stark auf Gestik und Körpersprache beruht und alle zu erreichen vermag, sprachliche Hindernisse überwindet und in gewisser Weise sogar den Spaß an der deutschen Sprache befördert.
In Manu Moser, einem Spezialisten für Bühnenadaptionen von Klassikern, fand sie den idealen Partner für die Inszenierung des einzigartigen Stücks The Game of Nibelungen, das vor Einfallsreichtum und Exaltiertheit sprüht. Es war Publikumsliebling auf dem Festival d’Avignon OFF 2022, wo es auch von der Presse mit Begeisterung aufgenommen wurde.