Die Schauspielerin Ursina Lardi, bekannt aus Theater, Film und Fernsehen, recherchiert gemeinsam mit dem Schweizer Regisseur und Autor Milo Rau für eine Neuinszenierung des Jedermann von Hugo von Hofmannsthal. 2020 erhält Lardi einen Brief von Helga Bedau, einer pensionierten Berliner Lehrerin, die tödlich an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben hat. Bedau schreibt, wie sie in Pandemiezeiten das Gemeinschaftserlebnis „Theater“ vermisst. Der letzte Wunsch der ehemaligen Laiendarstellerin ist es, noch einmal auf der Bühne zu stehen. Und so wird Jedermann an diesem Abend zu Everywoman!
Ursina Lardi betritt ein schlichtes Bühnenbild. Sie holt gerahmte Fotografien und andere persönliche Gegenstände aus einem Pappkarton und ordnet sie auf einem schwarzen Flügel an – es sind die Privatsachen von Helga Bedau. In dieser 2020 im Rahmen der Salzburger Festspiele uraufgeführten Neuinterpretation des Klassikers spielt Bedau die Everywoman beziehungsweise sich selbst, Lardi tritt als ihre Gesprächspartnerin auf.
Milo Rau und Ursina Lardi, Ikonen der deutschsprachigen Theaterlandschaft, haben schon mehrfach zusammengearbeitet und engagiertes politisches Theater gemacht. Zwischen Lardi und Bedau, die auf eine Leinwand projiziert über Video zu uns spricht, entwickelt sich ein leises, eindringliches Zwiegespräch über den Tod. Doch im Gegensatz zu Hofmannsthals allegorischem Lehrstück stellt Everywoman sich der Ohnmacht und Ratlosigkeit angesichts dieses Themas und lässt beide als Momente des Nichtweiterwissens einfach stehen.
Immer wieder fließen auch persönliche Anekdoten und Erfahrungen aus den Biografien der beiden Frauen mit ein, die Fragen nach dem Wesen des Lebens aufwerfen, nach Gemeinschaft und Einsamkeit, nach Vergangenem und Bevorstehendem – ganz unpathetisch und ohne sentimental zu werden. Und was im Jedermann die Erlösung im Glauben war, scheint hier der Trost durch die Musik, die Kunst zu sein. Everywoman – ein philosophisches, persönliches Nachdenken über den Tod und dabei eine zarte Hommage an das Leben in seiner Gesamtheit, das Leben bis zum Schluss.