Dokumentartheater, Performance
Medea, Judith, Lady Macbeth – das sind drei der gewalttätigen, mordenden, klassischen Dramenheldinnen, denen wir sonst im Theater begegnen. Eigentlich müssten sie im Gefängnis sitzen. Das Theaterkollektiv Markus&Markus hat Mörderinnen aus dem echten Leben in ihren Gefängnissen kontaktiert und begonnen, ihnen Briefe zu schreiben.
Das vierköpfige Kollektiv hatte für sein vorhergehendes Stück Die Berufung einen Aufruf per Flaschenpost gestartet, Personen oder Projekte zu nennen, die sich für Menschlichkeit einsetzen. Eine Antwort war die Idee, Brieffreundschaften mit lang inhaftierten Menschen einzugehen. Im Laufe der Recherche ist die Theatergruppe mit vier zu lebenslänglicher Haft verurteilten Frauen in Kontakt getreten, alle vier in US-amerikanischen Gefängnissen. Eine Brieffreundschaft und damit die Grundlage für ihr neues Stück entstand. Die Frauen sind nicht nur Protagonistinnen, sondern werden zu Co-Regisseurinnen dieses Dokumentartheaters – wenn sie auch nicht selbst dabei sein können.
In diesem Stück begibt sich das Kollektiv, seinem Konzept folgend, wieder auf eine persönliche Suche nach Verbindungen und Gemeinsamkeiten mit Menschen, die auf den ersten Blick nicht viel mit ihnen gemein haben. Es entwickelt daraus große Fragestellungen unserer Gesellschaften, relevant für unser aller Zusammenleben. Dies konnte das PERSPECTIVES-Publikum bereits 2016 in den Stücken Ibsen: Gespenster und 2019 in Zwischen den Säulen in Saarbrücken eindrücklich erleben. Für die Gruppe ist Theater Anlass, nicht nur auf einen Themenkomplex von außen draufzuschauen, sondern aus ihm hervor.
Genau dies tun die vier Künstler*innen in der Brieffreundschaft: Sie selbst gehen die Brieffreundschaften dauerhaft ein, bemühen sich um die richtigen Worte, erhalten direkte Antworten, die bewegende Einblicke in das Leben der Frauen geben. Daran lassen sie uns teilhaben. Von erheiternden bis dramatischen Momenten erleben wir eine große Bandbreite an Emotionen – lange wirkt dieses Stück nach.